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warum strafe nicht wirkt (und es nur manchmal so aussieht)

strafe in der hundeerziehung

mit der strafe ist es in der hundeerziehung so eine sache.
die wenigstens können sich vorstellen, dass es ganz ohne strafe geht.
gleichzeitig wollen viele strafe gar nicht anwenden müssen –
und wiederum anderen ist gar nicht klar, was alles (schon) strafe ist.

bevor wir uns daher mit der wirksamkeit von strafe als erziehungsmittel beschäftigen,
müssen wir erst mal festhalten, was unter strafe zu verstehen ist.

(und vorab: wer sich viel lieber mit fairer erziehung und neuesten erkenntnissen über hunde beschäftigen mag, bekommt das demnächst und aus besonderem anlass (wird im webinar verraten) –  im neuen webinar „7 verblüffende dinge über hunde, die du wissen musst“, für das du dir gleich hier deinen platz reservieren kannst.

was ist strafe?

strafe ist alles, was der hund als unangenehm empfindet.

das ist vor allem alles, was ihm direkt an unangenehmem zugefügt wird.
die klassischen prügel und andere formen der körperlichen züchtigung fallen da rein.
die sind offensichtlich.

die weniger harschen methoden wie das leichte „zupfen“ an der leine,
das „anstupsen“ in der nierengegend oder mal eben mit der taschentuchpackung auf die nase klopfen
gehören ganz genauso dazu.
auch das überrascht nicht.

wir dürfen aber nicht nur an jene dinge denken, die man dem hund absichtlich zufügt, um ihm was „abzutrainieren“.
der hund empfindet auch einiges andere als unangenehm.

wenn zum beispiel der mensch die nerven verliert und ihn anschnauzt,
wenn er körpersprachlich bedrängt wird,
wenn man ihn packt und festhält zum knuddeln,
wenn was laut krachend neben ihm zu boden knallt,
und so weiter und so weiter.

es ist nicht unsere absicht, die etwas zur strafe macht,
sondern das, was beim hund ankommt.

die wirkung von strafe

unser glück ist, dass nicht jedes dieser unangenehmen dinge tatsächlich als strafe wirkt
und daher das verhalten des hundes nachhaltig beeinflusst.
(unangenehm bleibt es trotzdem, der beziehung tut es auch nicht gut,
doch das verhalten des hundes verändert sich dadurch nur bedingt).

das liegt daran, dass drei kriterien gegeben sein müssen,
damit etwas tatsächlich als strafe wirkt und dazu führt,
dass der hund die betroffene verhaltensweise lieber bleiben lässt.

1. unmittelbarkeit

die strafe muss sofort und unmittelbar nach dem betroffenen verhalten erfolgen,
damit der hund einen zusammenhang erkennt und die strafe als folge seines verhaltens versteht.

da die wahrnehmung und reizverarbeitung beim hund sehr rasch erfolgt,
heißt das: es kann um bruchteile einer sekunde gehen.

kommt die strafe auch nur eine sekunde zu spät und der hund ist mit seiner wahrnehmung grad ganz wo anders –
sagen wir er sieht in dem moment ein gelbes auto –
so bezieht er die strafe auf das wahrgenommen und entwickelt in unserem beispiel vielleicht eine abneigung gegen gelbe autos.

vorausgesetzt das passiert nicht nur einmal.

2. konsistenz

damit der hund einen lerneffekt aus der strafe hat, muss die auch jedes einzelne mal stattfinden.

springt er also am menschen hoch und wird mal gestreichelt und mal angebrüllt,
dann ergibt das für ihn keinen sinn.

wenn etwas mal positiv, mal negativ und oftmals einfach neutral ist,
richtet der hund sein verhalten nicht danach aus, sondern folgt anderen motiven.

nur wenn jedes einzelne mal die strafe seinem verhalten auf dem fuss folgt, kann ein lerneffekt eintreten.

allerdings nur dann, wenn die dosis passt.

3. intensität

die strafe muss dem hund nämlich deutlich unangenehm sein.
hebt jemand nur ein wenig die stimme, schüttelt der hund das vielleicht noch ab
(achtung: je nach hund und sensibilität sehr unterschiedlich),
erst wenn gebrüllt wird, empfindet er das als strafe.

andererseits kann die intensität so heftig ausfallen, dass der hund völlig verstört ist,
im extremfall vielleicht sogar traumatisiert.
das ist natürlich nicht ziel der hundeerziehung (und lernen findet dann sowieso nicht mehr statt).

die richtige dosierung der strafe angepasst ans naturell des hundes und seine aktuelle emotionel verfassung zu finden,
ist also gar nicht so einfach.

der haken an der sache

strafe wirkt als mittel der erziehung – also mit dem ziel, ein unerwünschtes verhalten los zu werden – nur dann,
wenn sie
– jedes einzelne mal
– auf die sekunde genau
– in der exakt richtigen intensität
eintritt.

was im praktischen leben vollkommen unmöglich ist.
die kriterien sind bei lernstudien im labor grade noch so hinzukriegen,
im alltag und ohne jede wache minute direkt neben dem hund und jederzeit bereit zum verabreichen einer strafe zu sein,
geht das einfach nicht.

ergo: strafe als erziehungsmittel kann gar nicht funktionieren.

und doch sieht es manchmal so aus, als hätte der hund sehr wohl kapiert, dass er was nicht machen soll.
wie erklärt sich das?

das phänomen verhaltensunterdrückung

das kommt daher, dass hunde auf eine heftige unangenehme erfahrung damit reagieren,
dass sie vorerst mal stillhalten.

sie haben sozusagen einen dämpfer abgekriegt, warten nun ab, ob da noch was kommt
und machen in der zeit möglichst wenig, um nicht irgendwas zu provozieren.
„verhaltensunterdrückung“ nennt man diese reaktion.

sie tritt übrigens auch bei menschen auf.
bestes beispiel: wer mal mit zu hohem tempo in die radarfalle gefahren ist und es merkt,
steigt sofort auf die bremse und fährt die nächsten paar kilometer langsamer als erlaubt.

was rational betrachtet unlogisch ist.
logisch wäre, stattdessen erst recht aufs gaspedal zu steigen,
weil ja unmittelbar nach einer radarfalle nicht gleich noch eine kommt und man daher nicht erwischt würde.

in beiden fällen – beim hund wie beim menschen – tritt nicht der gewünschte lerneffekt ein.
man ist zwar kurz gehemmt, dann macht man weiter wie gehabt.
weil nämlich die drei oben genannten kriterien nicht eingehalten werden (können).

strafe ist also nicht nur ethisch problematisch und der beziehung zum hund abträglich
(mehr dazu dann nächste woche im blog), sie wirkt auch schlicht und ergreifend nicht.

warum also immer weiter etwas wirkungsloses tun?